Erfahrungsbericht zum Sabbatical

Rückblick auf mein erstes Sabbatical

Mein erstes Sabbatical

Nach dem letzten Jahr, das von geschäftlichen Erfolgen und privaten Misserfolgen geprägt war, habe ich mich für ein Sabbatical entschieden. Dies vor dem Hintergrund, dass mein Leben bis dahin stark leistungsgetrieben war und zwar in einem Ausmass, das sich mit der Gründung einer eigenen Familie nicht mehr vereinbaren liess. Ich brauchte also Zeit, mein Leben neu zu ordnen und wieder zurück zu mir und meinen Wurzeln zu finden.

Inhaltsübersicht

Leistungsgetrieben aus Existenzängsten

Ich habe schon als kleines Kind erfahren, wohin einem das Leben führen kann, wenn man von anderen Menschen in irgendeiner Weise abhängig ist. Deshalb war es schon damals mein oberstes Ziel, ein möglichst unabhängiges Leben führen zu können.

Im Alter von 13 Jahren habe ich meinen ersten Nebenjob angenommen und ab dann sah mein Leben so aus: Unter der Woche ging ich tagsüber zur Schule bzw. an die Universität und während der unterrichtsfreien Zeit war ich entweder am Lernen oder arbeiten. Ferien gönnte ich mir nur selten, jedoch nicht aus finanziellen Gründen, sondern weil ich meinen Job als Verkäuferin, Servicetochter, Bardame, Sachbearbeiterin, Spitex-Mitarbeiterin, Model, juristische Mitarbeiterin oder Projektleiterin stets liebte. Ich fühlte mich in der privilegierten Lage, dass ich alles tun konnte, was ich wollte. Ich konnte mir mit 18. Jahren eine eigene Wohnung, ein eigenes Auto und wann immer ich wollte, Ferien in einem Luxushotel leisten. Mir ging es finanziell so gut, dass ich sogar immer wieder Menschen finanziell unterstützen können, was mir ebenfalls viel Freude bereitete.

Mein Lebenstraum

Doch wonach ich mich wirklich sehnte, war eine eigene Familie, in der sich alle lieben, respektieren und gegenseitig unterstützen würden. Denn dieses Gefühl war mir in meiner Kindheit leider vergönnt. Meine Eltern haben sich getrennt, als ich 4 Jahre alt war und es folgte ein Scheidungskrieg, der allen Beteiligten viel Leid zugefügt hatte und bis heute seinen Tribut fordert.

Dieses stetig schmerzende Gefühl von Ungerechtigkeit war der Grund, weshalb ich mich als Juristin dazu berufen fühlte, für etwas mehr Gerechtigkeit zu sorgen. Ich absolvierte meine Grundausbildung im Schnelldurchlauf und schloss mein Rechtswissenschaftliches Studium mit dem Jahrgang vor mir ab.

Gleichzeitig hatte ich immer diesen einen Wunsch von «zu Hause ankommen» vor den Augen und meine ganze Karriere danach ausgerichtet. Ich wollte keine klassische Hausfrau und Mutter sein, sondern eine beruflich erfolgreiche Frau, die ihren Kindern hinsichtlich Unabhängigkeit ein Vorbild sein würde. «Wenig arbeiten und trotzdem genug Geld verdienen» war das Motto, welches mir genug Zeit für meine Kinder und meinem Ehemann ermöglichen würde. Und damit ich auch selbst bestimmen konnte, wann, wo und wie ich dieses Geld verdienen möchte, wollte ich mein eigener Chef sein. Deshalb setzte ich alles daran, möglichst bald eine erfolgreiche Unternehmerin zu sein.

Aber um meinen Kindern ein echtes Vorbild sein zu können, brauchte ich noch etwas Anderes. Etwas, das ich in meiner Kindheit selbst nie gelernt hatte: Selbstachtung und Selbstliebe. Seit ich denken kann, gab es diese dunkle Seite in mir, die auf Selbstzerstörung aus war. Als ich Mitte 20 endlich erkannte, dass ich ohne fremde Hilfe nie aus diesem Teufelskreis rauskommen würde, machte ich mich an die Arbeit. Zwei Jahre lang arbeitete ich mit professioneller Unterstützung an mir und meinen Lebensthemen. Auch wenn sich in dieser Zeit mein Innenleben um 180 Grad gedreht hat, so blieben doch noch einige Themen ungelöst, wie das letzte Jahr gezeigt hatte.

Auf Kollisionskurs…

In Erwartung auf meine süsse Tochter schien mein Traum in Griffnähe: Die Aufträge meiner Einzelfirma häuften sich, sodass ich jemanden engagieren musste, der mich geschäftlich entlasten konnte. Zudem eröffnete sich mir durch einen lustigen Zufall eine neue Geschäftsmöglichkeit in einem ganz anderen Bereich. Da sich dieser 6-stellige Auftrag nicht über meine Firma abwickeln liess, gründete ich letzten Frühling die Architektur- und Projektmanagement AG (für die Website hatte ich allerdings bis heute noch keine Zeit!).

Mein ganzes Investment vom Vorjahr zeigte Früchte und ich war unglaublich happy! 😊Doch es gab ein Problem, mit dem ich weder gerechnet hatte, noch einen erfolgreichen Umgang damit fand. Meine Schwangerschaft verlief alles andere als einfach: Von 9 Monaten ging es mir insgesamt 8 Monate gesundheitlich ziemlich schlecht. Von den klassischen Beschwerden bis hin zu einem Tumor, der sich zum Glück als gutartig herausstellte, war die Zeit von einer Anzahl Arztbesuche geprägt, die ich in der ganzen Zeit vorher nie erreicht hatte. Das Verhältnis zu meinem eigenen Körper, welches vor dieser Schwangerschaft einfach nur ein Traum war, entpuppte sich plötzlich als wahrer Alptraum: Ich war gefangen in einem Körper, der sich nur noch müde, erschöpft und krank anfühlte, der mich nachts nicht mehr schlafen liess und mich in ein tiefes Loch stürzte, aus dem ich scheinbar nicht mehr rauskommen würde. Ich stand morgens auf und wusste nicht, wie ich den Tag überleben sollte. Ich ging abends zu Bett und wusste nicht, wie ich den nächsten Tag überleben sollte. Ich realisierte, dass ich den Kampf nicht gewinnen kann, sondern haushoch verlieren würde. Dass ich sehr vieles, was ich mir bis dahin aufgebaut hatte, verlieren würde und zwar nicht nur geschäftlich, sondern auch privat. Diese Verlustangst liess mich lange meine eigenen Grenzen überschreiten, doch dieses Mal würde ich auch den Preis dafür bezahlen müssen. Ich spürte und wusste, dass mein Lebenstraum langsam, aber sicher vor meinen eigenen Augen zerplatzen würde. Schritt für Schritt versuchte ich eines nach dem anderen loszulassen bis letztlich nur noch die nackte Wahrheit da war: Du hast versagt! Als Mutter, Unternehmerin und Ehefrau. Bang! Da stand sie direkt vor mir; die Versagerangst in ihrer ganzen Pracht; hässlich und doch so beruhigend. „Du hast jetzt alles verloren, was nicht mehr zu Dir gehört – und jetzt kannst Du nichts mehr verlieren, was von Dir weg muss.“ Ich ging in mich und erkannte all das Schöne, was mir geblieben ist:

      • Meine geliebt Tochter, die sich endlich bei mir wohl fühlt, weil ich nun die Ruhe ausstrahle, die sie verdient hat;
      • einige alte und neue Freunde, die mich ganz am Boden gesehen haben, die mich immer noch lieben, weil ich eben auch nur ein Mensch und keine Maschine bin;
      • meine Familie, die mich nach ihren Kräften und Möglichkeiten in dieser schwierigen Situation unterstützt hat;
      • geschäftlichen Kontakte, die mich immer noch schätzen, weil ich nur die Arbeit mache, zu der ich mich berufen fühle.

Alle anderen sind weg. Und das ist auch gut so. Denn ich will in meinem Leben nur Menschen, die mir gut tun. Die auch noch da sind, wenn es regnet. Die mir den Regenschirm halten, wenn ich keine Kraft mehr habe und die mit mir im Regen tanzen, wenn mir wieder danach ist.

Der Anfang von etwas Neuem

Es hat lange gedauert, bis ich wieder nach vorne blicken konnte. Ich musste mich zuerst wieder selbst finden, bevor ich mich auf den Weg in einen neuen Lebensabschnitt machen konnte. Identitätsverlust war für mich eine neue Erfahrung und hat mir gezeigt, dass selbst wenn man sich bereits gefunden hat, sich wieder verlieren kann. Mein neuer Lebensabschnitt steht deshalb unter dem Motto «mir selbst treu bleiben». Und das bedeutet, dass

      • meine Gesundheit an erster Stelle kommt,
      • meine beruflichen Projekte ein wichtiger Bestandteil meines Leben bleiben,
      • aber mir genug Zeit für mich und meine Liebsten rausnehme.

Ich bin jedenfalls gespannt, ob ich das bis zu meinem nächsten Sabbatical schaffe! 😉

PS: Wenn Sie sich jetzt fragen, warum ich diese Erfahrung mit Ihnen teile, dann kann ich Ihnen sagen, dass ich mir in dieser schwierigen Zeit einen Sparringpartner gewünscht hätte, der sich mit dieser Thematik auskennt. Vielleicht erkennen Sie sich oder jemand anderes in dieser Geschichte wieder und können etwas von diesem Erfahrungsbericht mitnehmen.

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